Samstag, 13. Oktober 2007

Etappe 3: Von Zubiri nach Pamplona

Es ist Donnerstag, der 26. Juli 2007.

Die Nacht in der Herberge von Zubiri war gut, wenngleich ich das erste Mal Ohrstöpsel gebrauchen musste, weil einer der Pilger in der Ecke laut geschnarcht hat. Allerdings habe ich dann ganz gut schlafen können und wache erst gegen 6:50 Uhr auf - eigentlich viel zu spät für meine Begriffe. Auch meine dänischen Freunde wachen jetzt erst auf.

Nachdem ich meine Sachen gepackt habe, kommt der Moment der Entscheidung. Aufgrund der Zeit - es ist bereits 8 Uhr - und meines Wegplanes, der mich nach Pamplona führen soll, beschliesse ich, allein weiterzugehen. Da die Dänen auch noch eine Kleinigkeit frühstücken wollen, werde ich in diesem Entschluss bestärkt. Ich nehme also Abschied von den Sechs, was mir aber sehr weh tut.

Ich laufe los und mir ist das Herz richtig schwer. Alles um mich herum ist so still, ich vermisse die Gespräche von gestern und das alles ist doch ein starker Kontrast zu dem vorherigen Tag. Wenigstens ist das Wetter schön und am morgen ist es auch noch angenehm kühl. Kurz hinter Zubiri liegt direkt am Weg eine hässliche Kiesfabrik (Bild rechts). 'Auch das ist Jakobsweg!' denke ich und stelle mir vor, wie es im Mittelalter gewesen sein muss, als es die Industrie und stark befahrenen Strassen noch nicht gab.

Nach einigen Kilometern habe ich meine Wehmut über die nunmehr wieder herrschende Einsamkeit überwunden. Ich empfinde es sogar als angenehm, wieder allein laufen zu können. So kann ich mein eigenes Tempo gehen, kann den Weg geniessen, der wunderschön ist und mich durch Wälder, entlang des ruhigen Rio Arga führt und ich kann den gestrigen Tag noch einmal innerlich reflektieren und über so manches Gespräch in Ruhe nachdenken. Das Gelände ist noch immer sehr hügelig, die Landschaft sehr abwechslungsreich. Immer wieder treffe ich auf andere Pilger und man grüsst sich freundlich. Bald schon wird es aber sehr warm und die Sonne gibt sich wieder alle Mühe, es uns Pilgern schwer zu machen. Zu Beginn ist das alles erträglich, denn die Bäume spenden uns Schatten. Nach einiger Zeit aber läuft man auf der Straße oder auf freiem Feld und dort gibt es keinen Schatten. Ich schwitze wieder sehr, meine Schultern schmerzen höllisch und ich muss oft pausieren um einfach den Rucksack abzusetzen. Einmal setze ich mich einfach zu zwei Spaniern, die sich am Wegesrand niedergelassen haben. Wir hatten uns schon vorher auf dem Weg mehrfach überholt und nun machen wir eben gemeinsam Pause. Ich spreche kaum Spanisch, sie kein Deutsch und nur wenig Englisch. Aber es sind die einfachen Gesten, die zählen: ein aufmunterndes Lächeln und ein Apfel, den sie mir anbieten. Dann verabschieden wir uns wieder und sie ziehen weiter. Kurz darauf überholt mich eine Gruppe italienischer Pilger - alles junge Leute, die die ganze Zeit singen. Ich bin mir nicht sicher, ob es italienische Schlager oder geistliche Gesänge im neuen Look waren. Jedenfalls bin ich froh, als wieder etwas Distanz zwischen uns ist, denn auf das italienische Wanderradio habe ich keine Lust. Die Schmerzen und die Hitze nerven mich. Und dann ertappe ich mich immer wieder bei dem geheimen Wunsch, doch noch plötzlich auf die Dänen zu treffen.

Weiter geht es, diesmal aber einen ziemlich steilen Pass bergauf, alles in der prallen Hitze ohne Bäume nur um nach circa zwei Kilometern wieder steil nach unten zu laufen. Es kommt einem vor, wie Schikane. Es ist jetzt bestimmt kurz vor Mittag und ich möchte jetzt nur noch nach Pamplona kommen. Leider dauert es noch gute zwei Stunden bis dahin und die Hitze wird unerträglich. Hinzu kommt, dass mir die Füße brennen.




Als ich in Trinidad de Arre ankomme und die schöne mittelalterliche Brücke (Bild rechts) sehe, bin ich etwas erleichtert. Ich weiss, dass es jetzt nicht mehr so weit bis Pamplona ist und dass die höchsten Berge der Etappe hinter mir liegen. Kurz kommt auch die Versuchung auf, in der Herberge in Trinidad zu bleiben, aber dann befürchte ich, die schöne Stadt Pamplona als Höhepunkt des Weges zu verpassen. Also laufe ich weiter.

Ich komme bald nach Burlada und damit in den städtischen Einzugsbereich von Pamplona. Hier ist es natürlich hektisch und verkehrsreich, also laufe ich so gut ich kann durch. Dank anderer Pilger auf der Strecke verlaufe ich mich nicht auf dem jetzt weniger gut ausgewiesenen Jakobsweg. Verlaufen und damit einen Umweg gehen wäre einfach nur schrecklich jetzt!

Vielleicht eine Stunde später sehe ich die Türme der Kathedrale von Pamplona. Das Ziel ist also fast erreicht. Ich steuere zuerst die Herberge "Casa Paderborn" außerhalb der Stadtmauern an, die von den "Freunden des Jakobsweg in Paderborn" geleitet wird. Dort angekommen, werde ich - völlig fertig - vom Herbergsvater Werner mit erfrischendem Zitronenwasser empfangen und bekomme ein Bett in der schönen und gemütlichen Herberge. Ich nehme eine Dusche und treffe dabei im Badezimmer auf Carla, die Südafrikanerin aus Roncesvalles. Wir unterhalten uns aber nur kurz, weil wir wohl beide zu erschöpft sind. Es sind bestimmt vierzig Grad draussen und ich will mich erstmal ausruhen und beschließe, mir später die Stadt anzusehen.

Am späten Nachmittag beginne ich, Pamplona zu erkunden und weil es noch immer sehr heiss ist, steuere ich zuerst die Kathedrale an. Später dann schlendere ich durch die engen Straßen der Stadt mit ihren kleinen Balkons und finde, dass Pamplona genau so aussieht, wie man es sich vorstellt. Die Altstadt ist nicht sehr groß und wirkt daher auch nicht so hektisch und beunruhigend. Als ich so spaziere, treffe ich plötzlich auf Roy, den Iren. Ich freue mich, ihn wiederzusehen und er erzählt mir nur kurz, dass er auf dem Weg in eine Apotheke ist, denn durch den bisherigen Weg hat er schlimme Blasen bekommen. Dann verabschieden wir uns schon wieder. Danach denke ich an meine eigenen Füße, an denen sich nun auch schon kleinere Blasen bilden. Vor allem am linken Fußballen und an den Zehen gibt es dafür schon Anzeichen, aber ich denke, ich werde damit schon fertig.


Nachdem ich dann noch ein paar Sachen eingekauft habe, suche ich die städtische Herberge in Pamplona auf, um zu schauen, ob ich dort vielleicht meine dänischen Freunde wiedertreffe. Und tatsächlich sitzen Soeren, Lea, Helga und Martin draußen auf der Straße im Schatten und ruhen sich aus. Ich setze mich zu ihnen und wir unterhalten uns wieder eine gute Stunde miteinander. Lea hat noch immer große Probleme mit den Knien und wird mit Soeren, der auch Blasen hat, entweder per Anhalter oder per Bus bis zur nächsten Etappe weiterreisen. Helga, Martin, Britta und Carsten wollen aber weiterlaufen. Da die Dänen insgesamt aber nur maximal zehn Tage auf dem Weg sind und dann wieder heimreisen müssen, heisst es am Abend doch wieder Abschied nehmen und diesmal vermute ich, dass es für immer sein wird. Es fällt mir aber nun nicht mehr so schwer. (Bild oben: Rathaus von Pamplona)
Nach einem weiteren Pilgermenü in Pamplona, das ich aber aufgrund der furchtbar unfreundlichen Bedienung schnell wieder vergessen möchte, gehe ich zur Herberge zurück. In unserem Vierbettzimmer liegen mittlerweile noch ein Pilger aus Südkorea und ein Deutscher. Der Südkoreaner hat natürlich pünktlich vor dem Schlafengehen noch irgendein asiatisches Gebräu auf seine Beine aufgetragen, so dass es nun im Zimmer riecht, wie im Labor. Der Geruch steigt allen Anwesenden in die Nase, aber wir müssen einfach alle nur darüber lachen. Bald schlafe ich dann ein.