Montag, 11. August 2008

Etappe 26: Von Molinaseca nach Cacabelos

Es ist Samstag, der 18. August 2007.

Aller Komfort und Modernität einer Herberge kann zunichte gemacht werden, wenn es im Zimmer einen Pilger gibt, dem ein Sägewerk implantiert wurde. Ein solches Exemplar hatten wir auch in Molinaseca wieder und seit dem Schnarcher von Los Arcos war es nicht so schlimm gewesen. Nicht nur, dass der Mann alle Bäume der Montes de León abgesägt hat in dieser Nacht, sondern alle anderen im Zimmer waren auch entsprechend genervt und taten dies durch schweres Seufzen, durch Pfeifen oder Stöhnen kund. Gegen so etwas ist man dann schließlich machtlos.

Entsprechend schlecht ausgeruht breche ich dann am nächsten Morgen wieder auf. Als ich so an der Straße entlang komme, passiere ich auch eine weitere Herberge, die auch ein paar Stockbetten im Freien aufgebaut hat. Von diesen Betten höre ich dann ein weiteres lautes Schnarchen und muss beim weiterlaufen grinsen. Ich frage mich, ob dies im Freien weniger störend ist, als in einem geschlossenen Raum.

Der anschließende Weg nach Ponferrada ist wenig spektakulär. Oft geht es an der Straße entlang und kurz vor der Stadt nehme ich eine Alternativroute durch einen verschlafenen Vorort und erreiche die Innenstadt von Ponferrada wenig später. Hier erwachen allmählich die Pilger, die hier übernachtet haben und so finde ich das eine oder andere Mal einen Anhaltspunkt, wo der Weg verläuft. Da die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt ohnehin noch nicht geöffnet haben und ich noch einige Kilometer vor mir habe, gehe ich zügig durch die Stadt. Die große Templerburg, an der ich aber vorbeilaufe, beeindruckt mich sehr. Sie ist geradezu eine Bilderbuchburg, wie man sie aus Märchen oder Historienfilmen kennt. Sie ist sehr groß und strahlt dabei auf ganz besonders eindrückliche Weise die Macht der Tempelritter aus, die diese einmal in dieser Region hatten. Und das, obwohl einige Teile der Burg infolge von Stadtplanungen bereits weggesprengt wurden.



Hinter der Templerburg werden es dann auf einmal deutlich mehr Pilger auf der Strecke und alle bewegen sich wie ein Strom auf dem Jakobsweg durch die Stadt. An vielen Stellen herrscht Unklarheit über den weiteren Verlauf des Weges und an einem besonders großen Kreisverkehr stehen alle, inklusive mir, ratlos und halten nach Hinweisen Ausschau. Glücklicherweise schaut aus einem der Fenster einer Wohnung ein Mann heraus und deutet in eine bestimmte Richtung. Ich treffe auch auf eine junge Frau, die mir die Richtung auf Nachfrage bestätigt und so bin ich in der Lage, den anderen ratlosen Pilgern ebenfalls den Weg zu weisen, so dass sich der Pilgerstrom wieder in Bewegung setzen kann. Danach geht es durch kleine Vororte wieder aus Ponferrada heraus. Auf dem Weg wird mir immer deutlicher, dass wir uns dem Ziel Santiago nähern, denn die Pilgerschar hat sich deutlich vergrößert. Mich stimmt das nun doch auch etwas nachdenklich und die Sorge um Herbergsplätze wächst. Viele scheinen in der Tat ihren Jakobsweg in Ponferrada zu beginnen.
Wenig später komme ich durch einen schönen kleinen Ort, an dessen Beginn ein älterer Mann steht und den vorbeikommenden Pilgern selbst gepflückte Früchte anbietet. Mir drückt er einen Apfel in die Hand und ich freue mich über diese nette Geste. Es geht weiter durch kleine Dörfer, durch Obstplantagen und Weinberge. Unterwegs stoße ich dann wieder auf einige bekannte Gesichter. Unter ihnen sind der Deutsche Ian, den ich in Villar de Mazarife schon einmal in der Herberge gesehen hatte und der richtig polyglott ist. Außerdem treffe ich auch auf Christine aus Neu-Ulm, der ich in Foncebadón begegnet war und auf ein Paar Engländer, Clare und Thomas, die ich ebenfalls schon aus Villar de Mazarife kenne. Ich laufe ein wenig mit ihnen und unsere Gruppe versteht sich recht gut. Clare hat leider Probleme mit ihrem Knöchel, wodurch sie nicht so recht vorankommt. Als wir uns dann Cacabelos nähern, wird deutlich, dass der Rest der Gruppe weniger Zeit hat als ich und somit heute auch weiterlaufen wird. Ich bedaure das, denn ich mochte die Leute sehr und hätte mir gewünscht noch ein wenig mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Da aber mein Zeitbudget so groß ist und es wenig Sinn machen würde, sich zu beeilen, entschließe ich mich, hier in Cacabelos zu bleiben. Die Herberge ist rundherum um eine Kirche gebaut und hat den Vorzug, dass sie über Zweierkabinen verfügt, was einem fast so etwas wie Privatsphäre vermittelt. Vor der Herberge lerne ich einen älteren Pilger kennen, der aus Norwegen kommt und auch schon in Frankreich losgelaufen ist. Zuerst sieht er für mich eher wie ein Penner aus, aber ich entdecke bald, dass er wirklich sehr freundlich und kameradschaftlich ist. Später kommen auch die „Fantastischen Vier“ in der Herberge an und Lili lässt sich natürlich gleich in meine noch nicht vollständig besetzte Zweierkabine versetzen. Ich bin nicht einmal böse darüber, denn von ihr weiß ich wenigstens, dass sie nicht schnarcht. Nach ausgiebiger Mittagsruhe und ein paar Einkäufen in der Stadt gehe ich dann sogar mit den „Fantastischen Vier“ etwas zu Abend essen. Dabei lerne ich sie auch etwas besser kennen und finde schließlich Heidi, die österreichische Lehrerin, Anka, die slowenische Psychologin und Lois, ihren Mann auch gar nicht so unsympathisch. Und so werden auch bei mir ein paar bestehende Vorurteile bzw. Eindrücke an diesem Abend korrigiert.