Samstag, 23. August 2008

Bis ans Ende der Welt 2: Von Negreira nach Olveiroa

Es ist Donnerstag, der 30. August 2007.

Schon gegen 6:45 Uhr verlasse ich die Herberge in aller Dunkelheit. Die meisten sind noch am einpacken, aber mich hat dieser blöde Wettlauf um Herbergsplätze gedanklich schon wieder so vereinnahmt, dass ich mich gar nicht entspannt hier zurücklehnen oder gemütlich laufen könnte. So begebe ich mich also auf den Weg, der mich zunächst durch einen kleinen Vorort von Negreira und dann durch die angrenzenden Wälder führt. Der Mond scheint sehr hell und somit kann ich den Weg sogar bestens ohne meine Taschenlampe erkennen. Obwohl ich nun ganz schön schnell laufe, macht mir das Wandern wieder Spaß. Vor allem bei Sonnenaufgang ist es sehr schön. Die Sonne taucht diese wunderschöne Gegend in ein angenehmes Licht und alles wirkt so friedlich und still. Natürlich treffe ich immer wieder auf andere Pilger und manche sind ganz nett, andere eher in sich gekehrt. Diese Etappe heute ist recht anstrengend, denn sie ist gute 32 km lang. Da ich an sich auch noch viel zu schnell laufe, bin ich bald erschöpft und zu mehreren Pausen gezwungen. Landschaftlich ist hier nahezu alles dabei. Mal geht es durch grüne Wälder, dann wieder über weite Felder und auch über Hügel von denen man eine schöne Aussicht auf die umliegenden Ebenen hat.



Als ich den höchsten Punkt der Region, den Monte Aro mit gut 560 m erreiche, verlaufe ich mich ein wenig. Der Jakobsweg nach Finisterre ist nicht immer gut ausgewiesen und manchmal kann es verwirrend sein, auf Pfeile gegensätzlicher Richtung zu treffen, wobei einer allerdings auf den Rückweg nach Santiago verweist. In der Tat treffe ich auch auf drei oder vier Pilger, die von Finisterre nach Santiago zurücklaufen und diese grüßen mich immer wieder sehr freundlich und ermutigen mich zum Weitergehen. Das baut mich auf, denn die Mittagshitze und die Aussicht auf eine weitere vollkommen überfüllte Herberge stimmen mich gerade nicht sehr fröhlich. Nach dem Berg durchquere ich den kleinen Ort Lago, von dem aus ein Bauer gerade seine Kuhherde auf die Weide treibt. Vor so vielen Kühen habe ich doch etwas Respekt und laufe nun ganz langsam hinter dem Tross her und bin dankbar, als er endlich abbiegt und den Weg frei macht. Die nun noch verbleibenden Kilometer bis Olveiroa sind furchtbar anstrengend. Dabei merke ich, dass mich die Pause in Santiago und die vorherigen kurzen Etappen schon wieder einiges an Ausdauer gekostet haben.



Ich bin erleichtert, als ich Olveiroa erreiche und dann doch schon der fünfte Pilger in der Wartereihe bin. Da die Herberge aber erst gegen 14 Uhr öffnet, bleibt noch lange Zeit. Tatsächlich sehe ich auch die meisten Gesichter von gestern wieder, unter anderem auch ein paar wirklich unangenehme Italiener, die sich unmöglich benehmen. Die Herberge hier ist allerdings sehr schön, ländlich gestaltet mit mehreren kleinen Häusern, wenngleich sie nur ein Badezimmer hat für 34 Besucher bei normaler Kapazität. Aber auch hier setzt sich fort, was gestern schon ersichtlich war. Die Herberge wird bis zum Abend richtig voll und wieder schlafen einige Pilger auf Matten. Ich treffe auch einige Deutsche wieder und Edgar den Schweizer. Nun, da ich aber diese Etappe hinter mich gebracht habe und aus vielen Gesprächen erfahren habe, dass die meisten morgen direkt bis Finisterre laufen werden, bin ich etwas beruhigt. Mein Zeitplan gestattet mir nämlich, noch einen weiteren Zwischenstop in Corcubion zu machen. Dort gibt es auch eine Herberge und damit wird der Weg nach Finisterre übermorgen umso kürzer. Außerdem überwiegt nun die Sehnsucht nach dem Wasser, dem blauen, endlosen Ozean und der Küstenlandschaft in mir und ich kann glücklicherweise die Belastungen der vergangenen beiden Tage wieder ablegen.