Mittwoch, 13. August 2008

Etappe 28: Von Ruitelán nach O Biduedo

Es ist Montag, der 20. August 2007.

Die Nacht in der Herberge war dank Ohrstöpseln (Reinhard wurde extra weil er schnarcht unter das Dach verlegt.) recht ruhig, wenngleich es gegen Morgen doch etwas kühl war. Um 6 Uhr wurde das ganze Haus mit dem Ave Maria und anschließend mit Musik der Drei Tenöre beschallt um uns zu wecken. Das war wunderschön und zeigt den spürbaren Unterschied zu anderen Herbergen. Nach dem Aufstehen wartet auch bereits ein wirklich fürstliches Frühstück auf uns mit Kaffee, Milch, Kakao, Toast, Butter, Bananen, Pfirsisch, Honigmelone, Marmelade, Honig, Kuchen etc. Unglaublich, was uns Carlos und seine Kollegen da servieren. Jedenfalls werden wir so sehr gestärkt auf den Weg gehen können. Bei der anschließenden Abrechnung, die ich so sehr gefürchtet habe, stellt sich heraus, dass Carlos für seine gestige Massage nur fünf Euro berechnet und in meiner Erleichterung darüber aber auch weil alles hier sehr liebevoll war, gebe ich ihm drei Euro Trinkgeld. Diese Herberge jedenfalls wird noch eine Weile in meiner Erinnerung bleiben und darf wohl zu den bisher besten zählen. Dann muss ich aber die schöne Gemeinschaft hinter mir lassen und begebe mich wieder auf den Weg.



Der Morgen ist frisch und hier im Tal zwischen den Bergen hält sich diese Morgenfrische sogar noch länger, als auf den Ebenen. Nach einer Weile treffe ich die Österreicherin Elisabeth wieder und wir laufen nun gemeinsam weiter. Dabei wird das herannahende Galizien landschaftlich immer deutlicher, denn die grünen bewaldeten Wege werden häufiger und die gesamte Landschaft ist sehr ansprechend. Gemeinsam bewältigen Elisabeth und ich den steilen Aufstieg in die Berge, die es nun bis zum O Cebreiro-Pass zu bewältigen gilt. Aber durch die Gespräche merkt man die Anstrengung weniger. Und bei kurzen Pausen kann man sich schnell wieder regenerieren. Hinter La Faba öffnet sich nun die Landschaft vor uns und es bieten sich wunderschöne Blicke in die Täler und auf die Berge.



Mich fasziniert dieser Anblick und wieder macht der Weg richtig viel Spaß. In der Ferne lässt sich auch der Pass schon ausmachen, über den langsam die Wolken fliegen und bisweilen ähnlich Mühe haben, den Berg zu überwinden wie auch wir. Als Elisabeth und ich die Grenze zur Provinz Galizien überschreiten, wird mir klar, dass das Ende des Jakobsweges nun in fast greifbare Nähe gerückt ist. Es sind nun noch ca. 160 km bis nach Santiago und hinter mir liegen nun mehr als 600 km Weg, die ich ausschließlich zu Fuß gegangen bin. Ich erinnere mich noch, wie mir in St-Jean, zu Beginn meines Weges die Zahl 800 so unendlich weit vorgekommen ist und nun scheint es fast unglaublich, dass ich den Großteil dieser Strecke absolviert habe. Mit Galizien steht nun die letzte der spanischen Provinzen an, die ich durchlaufe und ich lasse Kastilien und León hinter mir.


O Cebreiro ist nicht nur ein Pass, sondern auch ein Museumsdorf, in dem man sehen kann, wie ursprünglich in Galizien gelebt wurde. Hier oben stehen noch die typisch galizischen Rundhäuser aus Naturstein mit Retdächern. Auch die Kirche ist so gebaut, beweist aber in ihrem Inneren eine ganz besonders andächtige und feierliche Stimmung. Wären hier nicht so viele Pilger und Touristen, könnte man wieder meinen, in die Vergangenheit zurückversetzt worden zu sein. Nach einem weiteren Frühstück verabschiede ich mich von Elisabeth und laufe weiter, denn vor mir liegt noch ein gutes Stück Weg. Ich habe mir vorgenommen, heute bis zur Herberge in Fonfría zu laufen und da gilt es noch einige Anhöhen zu überwinden.




Von O Cebreiro laufe ich an der Straße entlang und verpasse dabei den eigentlichen Weg, der durch den Wald führt. Irgendwann kreuzen aber Weg und Straße und ich bin wieder richtig unterwegs. Ich hatte den eigentlichen Weg einfach nicht gesehen. Ich laufe weiter und treffe an einem überdimensionierten Pilgerdenkmal auf drei der „Fantastischen Vier“, nämlich Heidi, Anka und Lois. Lili ist wie immer vorneweg gestürzt und wartet wahrscheinlich schon irgendwo. Nach einer kurzen Pause ziehe auch ich weiter und nun geht es immer wieder bergauf und bergab auf Feldwegen, durch winzige galizische Dörfchen, die manchmal eher wie größere Bauernhöfe wirken und ein wenig an das Gallierdorf aus Asterix erinnern. Mit dem Alto de Poio habe ich dann einen richtig steilen Passanstieg vor mir, damit aber auch die wirklich letzte steile Gebirgshöhe vor Santiago bewältigt. Als ich oben ankomme bin ich richtig außer Atem und ringe nach Luft. In einer Bar sitzt Lili, die etwas genervt auf den Rest ihrer Truppe wartet. Ein älterer Einheimischer steht ebenfalls in der Nähe, spricht mich an und zeigt dabei ständig auf meine Bauchtasche und sagt: „Foto.“ Ich verstehe nicht recht, was er will. Will er ein Foto von mir machen oder soll ich ein Foto mit ihm machen lassen? Er bleibt hartnäckig und als ich die Bauchtasche öffne, zeigt er auf meinen Wanderführer. Bald stellt sich heraus, dass sich darin ein Foto von ihm befindet und er zeigt es mir voller Stolz. Daraufhin reiche ich ihm meinen Kugelschreiber und bitte ihn, es zu signieren. Darüber freut er sich sehr und zieht danach seiner Wege. Mit dem Gedanken, wer eben die wahren Prominenten des Lebens sind, ziehe auch ich weiter.


Der Weg nach Fonfría wird beschwerlich; ich bin ziemlich erschöpft und es ist sehr warm. Als ich im Ort ankomme, muss ich leider feststellen, dass die Herberge geschlossen ist. Was für ein Rückschlag! Damit stehen mir nun weitere 2,5 km bis nach O Biduedo bevor, in der Hoffnung, dort eine Herberge oder eine Pension (Casa rural) zu finden. Tatsächlich erreiche ich den Ort bald und bekomme dort ein luxuriöses Zimmer in einer Pension. Das kostet mich zwar 25 € aber ich hätte heute wirklich auch nicht noch weiter gehen können. So kann ich mich hier gut ausruhen und seit einigen Tagen auch mal wieder fernsehen. Währenddessen zieht draußen dichter Nebel auf und es beginnt zu regnen. Dadurch wird es sogar ein bisschen gemütlich hier oben in der Einsamkeit der Berge.