Sonntag, 24. August 2008

Bis ans Ende der Welt 3: Von Olveiroa nach Corcubión

Es ist Freitag, der 31. August 2007.

Die Nacht in der an sich recht schönen Herberge von Olveiroa ist etwas unruhig. Immer wieder ist mir ziemlich heiß, dann habe ich ständig Durst und seltsame Schmerzen stecken mir in den Beinen und in den Füßen. Wahrscheinlich liegt dies an der ungewohnten 32 km Tagesetappe von gestern. Dennoch finde ich genügend Schlaf und wache sogar erst um 7 Uhr morgens auf, als die meisten der Mitpilger schon packen und andere schon auf dem Weg sind. Was für ein befreiendes Gefühl es jetzt schon ist, dass dieser Herbergszwang nun ein Ende hat. So packe ich gemütlich meinen Rucksack und gehe gegen 8 Uhr erst einmal zu einer nahegelegenen Pension im Ort um mich mit einem leckeren Schokoladenneapolitano und einem Milchkaffee zu stärken. Dann kann es losgehen.

Hinter Olveiroa läuft man erst einen Hang hinauf und dann auf dem Kamm des Hügels, von wo aus man herrlich auf den Fervenza-Stausee zurückblicken kann. Der Weg ist allerdings steinig und man muss wieder aufpassen, nicht zu stürzen. Die Sonne scheint, ein wolkenloser blauer Himmel breitet sich über mir aus und nur das Summen der Windräder auf dem Gebirgskamm begleitet mich. Es ist eine wunderschöne Idylle und so macht das Wandern auch wieder Spaß.
Man sagt, dass Wasser wirke anziehend und auch das spüre ich bei der heutigen Etappe. In mir wächst der Drang, den Ozean zu erreichen; endlich nach all den verschiedenen Facetten der Landschaft auf dem Jakobsweg dieses mysteriöse Blau des Meeres auch zu sehen. Das beschwingt meinen Gang und der relativ starke Wind, der mir um die Ohren bläst, ist schon ein deutliches Zeichen dafür, dass es nicht mehr weit ist.



Nach einer Weile erreiche ich den Punkt des Weges, an dem sich der Weg nach Finisterre und der Weg nach Muxía trennen. Wenn man sich an den Kilometersteinen orientiert, kann man nicht den falschen Weg gehen und so setze ich meine Wanderung nach Finisterre fort. Von nun an geht es durch eine wunderschön weite Heidelandschaft mit vielen bunten Wiesenblumen und kleinwüchsigen Nadelbäumen. In der Ferne lässt sich das Meer schon als graue Masse ausmachen, wenngleich es noch nicht so eindeutig vom Himmel zu trennen ist. Aber die Küstenlinie zeichnet sich immer deutlicher ab. Immer wieder bleibe ich kurz stehen und schaue sehnsüchtig nach Westen, in Richtung des Endes der Welt.



Je näher ich der Küste komme, desto stärker wird der Wind. Nachdem ich einige alte Einsiedeleien, die sich auch hier noch finden, passiert habe und weiter durch die Heide laufe, kann ich nun noch weit entfernt klar das Meer ausmachen und ich überlege mir, wie es wohl den mittelalterlichen Pilgern gegangen ist, als sie hier zum ersten Mal auf das Meer gesehen haben. Vielleicht fühlten sie sich ähnlich erleichtert wie ich, vielleicht hatten sie auch Angst vor diesem endlosen und unberechenbaren Wasser. Mich jedenfalls zieht der Ozean in seinen Bann und ich freue mich auf die frische Seeluft, den Strand und die abwechslungsreiche Steilküste.
Wenig später erreiche ich das Cruceiro da Armada (links), ein Wegkreuz an einem steilen Hang. Hier muss man sich wirklich gut festhalten, dass einen der starke Wind nicht wegpustet, aber dafür hat man von hier aus nun einen überwältigenden Blick auf die Küste, die Bucht von Corcubion und die Städte Cée und Corcubión unterhalb. Danach geht es steil bergab und ich erreiche das Meeresniveau in der kleinen Stadt Cée, die sich nahtlos an Corcubión anschmiegt. Beide Ortschaften schlingen sich um das Meer in der Bucht. Zwar ist es nun aufgrund des Verkehrs wieder etwas hektischer, aber die Stadt ist auch ganz angenehm.



In Corcubión genehmige ich mir im Hafen ein leckeres Mittagessen und lasse mir dabei richtig Zeit. Die meisten meiner Mitpilger sind ohnehin schon auf dem Weg nach Finisterre und mein Ziel ist nur wenige Kilometer ausßerhalb von Corcubión in der hiesigen Herberge, die ohnehin erst 16 Uhr öffnet. Also lasse ich es mir schmecken und gehe dann noch ganz gemütlich durch die kleine Fischerstadt und kaufe noch ein paar Lebensmittel ein. Erst gegen 14 Uhr steige ich dann zum Alto de San Roque auf, einem kleinen Berg oberhalb der Stadt, auf dem sich die Herberge befindet. Als ich dort oben ankomme, ist die Unterkunft noch geschlossen, aber zwei spanische Pilger warten auch bereits in dem riesigen angrenzenden Garten. Ich geselle mich zu ihnen und wir unterhalten uns ein wenig. Da die beiden aus Madrid kommen, können wir uns auch ein wenig auf Englisch unterhalten, wo meine geringe Kenntnis des Spanischen komplett versagt. Die Wartezeit wird lang, vor allem, weil die Herberge schließlich doch erst 17 Uhr statt 16 Uhr öffnet, aber da das Wetter schön ist, ist das nicht schlimm. Dann werden wir von einem älteren spanischen Hospitalero und seiner schottischen Kollegin Judy hereingebeten. Judy ist sehr nett und es ist schön, wieder mit jemandem etwas länger Englisch reden zu können. Die Herberge ist sehr schön und sauber und außerdem lange Zeit mit nur sechs Gästen absolut nicht überbelegt. Am Abend kocht Judy uns allen ein schönes Abendessen und bei einem Gläschen Rotwein lassen wir den Abend ausklingen. Lediglich zwei portugiesische Radpilger stoßen noch zu uns. Die Herberge birgt aber noch ein weiteres Highlight, welches sich erst wirklich bei Nacht zeigt. Von hier aus hat man nämlich schon einen fantastischen Ausblick auf das Cabo Finisterre mit dem Leuchtturm an seiner Spitze. Dieser blinzelt uns bereits an, als wir zu Bett gehen. Ein traumhafter Anblick, das ultimative Ziel der Reise nun also schon so klar vor Augen zu haben. Das Ende der Welt kann so schön sein.