Donnerstag, 7. August 2008

Etappe 22: Von León nach Villar de Mazarife

Es ist Dienstag, der 14. August 2007.
Bereits früh verlasse ich die Herberge, Holger ist sogar noch früher weg. In der Dunkelheit ist León ganz still aber auch der Weg ist nicht ganz so leicht zu erkennen. Nur sporadisch tauchen gelbe Pfeile und Jakobsmuscheln auf. So laufe ich auch zwei Mal um die Basilica de San Isidoro bevor ich weiß, welchen Weg ich nehmen muss. Außer mir sehe ich nur ganz selten ein paar Pilger vor mir. Andererseits finde ich es gut, so früh durch die Stadt zu laufen, denn jetzt herrscht noch kein Großstadtverkehr und damit bleibt alles etwas übersichtlicher und nicht so hektisch. Ich versuche mich so genau, wie möglich an meinen Wanderführer zu halten. Bald habe ich die Innenstadt verlassen und laufe wieder durch Industriegebiete, die auch um diese Zeit schon eine irritierende Geschäftigkeit besitzen. Hier kracht es, dort fährt ein Lkw los, da brummen Maschinen. Ich sehne mich wieder nach Natur und Stille.
Nach einer Weile komme ich im Vorort La Virgen del Camino an, der nicht wirklich schön ist. Erst überlege ich mir, hier zu frühstücken, entscheide mich aber dann doch, noch weiterzulaufen. Kurz darauf kommt der Punkt, an dem sich der Weg gabelt. Rechts entlang führt der Jakobsweg entlang der viel befahrenen Landstraße und links geht es durch Hochebenen nach Villar de Mazarife. Ich habe wirklich keine Lust auf noch mehr Autos und langweilige Straßenabschnitte, so dass ich mich für den linken Weg entscheide und Villar de Mazarife ansteuere. Nach Oncina de la Valdoncina liegt der Großraum León endlich hinter mir und auf einsamen Feldwegen geht es in die Hochebene, die ganz flach ist und in der nur ein paar Eichenbäume wachsen. Hier herrscht wieder himmlische Ruhe und es sind auch nur sehr wenige Pilger unterwegs. Ich genieße diesen Augenblick, die morgendliche Stimmung, die kühle Morgenluft und den Blick in die Ferne, der nicht durch Häuser verdeckt wird. Allerdings knurrt mein Magen nun ganz schön und ich freue mich auf ein anständiges Frühstück. In Chozas de Abajo genehmige ich mir dann auch ein leckeres Bocadillo und einen Cafe con leche und da Villar de Mazarife nicht mehr weit ist, kann ich mir richtig Zeit lassen. Danach geht es entlang einer kleinen und nahezu unbefahrenen Landstraße weiter. Als Villar de Mazarife in Sicht kommt, fällt mir schon auf, dass die Leute hier wunderbar freundlich sind. Ein Bauer winkt mir vom Feld freundlich zu und ein paar Einwohner, die scheinbar aus dem Ort hinausspazieren und mir entgegen kommen grüßen mich auch. In Villar gibt es drei Herbergen, die alle einen sehr hohen Standard zu haben scheinen. Ich entscheide mich für eine von ihnen und bin sogar der erste Besucher des Tages. Alle sind noch irgendwie mit Saubermachen beschäftigt, sind aber ebenfalls sehr nett und man zeigt mir alles. Es ist tatsächlich wie im Urlaub. Ich darf mir ein Zimmer aussuchen, oder in einem Bett auf dem Dachbalkon, also unter freiem Himmel schlafen oder im Garten unter einem Vordach und damit ebenfalls im Freien. Ich entscheide mich aber dann doch für ein Vierbettzimmer. Auch hier ist alles ganz sauber. Während ich später im kleinen Tante-Emma-Lädchen des Ortes einkaufe treffen weitere Pilger ein und bis zum Abend werden es genügend, um Leben in die Herberge zu bringen, sie aber nicht zu überfüllen. Die Dame im Laden ist auch angenehm freundlich und auf dem Weg dorthin begegne ich sogar einer alten Bekannten: Pauline, die Niederländerin, der ich schon in Itero de la Vega begegnet war, die aber heute noch weiterziehen will.



Unter den Mitgästen in der Herberge sind auch Felix und seine Oma Angelika und am Nachmittag unterhalten wir uns dann alle mal ein wenig länger. Felix hat inzwischen sein Flohproblem lösen können und befindet sich auf dem Weg der Besserung. Angelika ist eine ganz untypische Oma, ganz fit und keck, etwas esoterisch und spirituell angehaucht und hat mit Kirche und Christentum so gar nicht viel am Hut. Das macht die Unterhaltungen aber nicht weniger interessant, ganz im Gegenteil und so haben wir drei auch viel Spaß. Inzwischen hat sich in meinem Zimmer noch ein Mitpilger eingefunden: wie konnte es anders sein, ein Italiener. Aber er ist einer der angenehmen und ruhigen Sorte (er ist ja auch allein). Damit geht ein weiterer schöner Tag zu Ende und ich bin jetzt doch ein wenig stolz, bereits 500 km gelaufen zu sein. Es bleiben also noch 300 km bis Santiago und irgendwie stimmt mich das nun doch auch ein wenig nachdenklich.